Es besteht ein grundsätzliches Dilemma bei der Haftung für Aufklärungsmängel: Die Aufklärung dient dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, der sich eigenverantwortlich für oder gegen den Eingriff entscheiden können soll. Wenn der Arzt gegen seine Aufklärungspflicht verstößt, in dem er beispielsweise auf ein bestimmtes Risiko des Eingriffs nicht hinweist, liegt eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten vor. Andererseits vertraut ein Patient regelmäßig der Empfehlung seines Arztes und verlässt sich darauf, dass sich das (in der Regel statistisch gesehen seltene) Risiko bei ihm nicht verwirklicht.
Tritt das Risiko wider Erwarten doch ein, stellt sich dies aus der späterer Sicht des Patienten unter dem Eindruck der eingetretenen Folgen ganz anders dar, als aus der vorherigen Sicht. Wenn der Patient im Vorhinein gewusst hätte, dass sich die abstrakte Gefahr bei ihm realisieren würde, hätte er dem Eingriff sicherlich nicht zugestimmt. Die vorherige Sicht des Patienten ist aber aus rechtlicher Sicht entscheidend. Wie der Patient sich vor dem Eingriff entschieden hätte, wenn er über die unerwähnt gebliebenen Risiken ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, darauf an es kommt.
Um eine Haftung des Arztes zu begründen, muss der Aufklärungsfehler relevant geworden sein. Damit soll verhindert werden, dass ein Patient die Folgen seines eigenen Entschlusses über das Vehikel der Aufklärungspflichtverletzung im Nachhinein auf den Arzt ablädt. Dieses Korrektiv ist das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“. Folgendes gilt im Einzelnen: Es ist erforderlich, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einen ernsthaften Entscheidungskonflikt geraten wäre.
Dabei gilt folgendes für den Arzthaftungsprozess: Für das Vorliegen eines Entscheidungskonfliktes trifft den Patienten die Darlegungslast. Insoweit gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Es ist zunächst völlig ausreichend, wenn der Patient das Bestehen eines Entscheidungskonfliktes einfach behauptet. Wenn die Arztseite dies bestreitet und behauptet sie, der Patient hätte auch bei ordnungsgemäßer und vollständiger Aufklärung in den Eingriff eingewilligt, erhebt sie damit den so genannten „Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens“.
Der Patient muss nunmehr plausibel machen, dass er sich bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung in einem ernsthaften Entscheidungskonflikt befunden hätte. Dass der Patient den Eingriff bei ordnungsgemäßer Aufklärung abgelehnt hätte ist also nicht erforderlich, sondern ausreichend ist, dass sich der Patient ernsthaft in Abwägungsnöte zwischen dem Für und Wider geraten wäre. Dass der Patient die Entscheidung über die Einwilligung in den fraglichen Eingriff „ernsthaft kritisch überdacht hätte“, reicht aus. Dabei muss der Patient den konkreten Entscheidungskonflikt nicht beweisen, sondern lediglich plausibel machen, warum und dass er nach seinen persönlichen Verhältnissen bei ordnungsgemäßer Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte.
Zunächst bedarf es hierzu eines substantiierten (auf Tatsachen beruhenden) Vortrags. Zunächst muss der Patient zum Vorliegen eines Entscheidungskonflikts im Einzelnen vortragen. Er muss beispielsweise darlegen, dass er, um sich die Sache noch einmal in Ruhe zu überlegen, die Operation bei ordnungsgemäßer Aufklärung verschoben hätte, dass er eine zweite Meinung eingeholt hätte, dass er bei Kenntnis der unerwähnt gebliebenen Risiken eine zweite Meinung eingeholt hätte, sich in eine Spezialklinik begeben hätte oder eine andere Art der Behandlung (konservative Therapie statt Operation) gewählt hätte. Zu betonen ist, dass sich die Substantiierungspflicht des Patienten auf die Darlegung eines Entscheidungskonfliktes beschränkt und er nicht darlegen muss, wie er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung tatsächlich entschieden hätte. Wenn der Patient substantiiert vorgetragen hat, ist er zu dem Vorliegen eines Entscheidungskonfliktes grundsätzlich persönlich anzuhören und die von ihm hierzu benannten Zeugen sind zu vernehmen.
Das Tatgericht kann diese Frage grundsätzlich nicht ohne eine persönliche Anhörung des Patienten gem. § 141 ZPO beantworten, da es bei dem Vorliegen eines Entscheidungskonfliktes gerade auf die persönlichen Umstände des Patienten ankommt. Es liegt insoweit ein Verfahrensfehler vor, das Tatgericht das Bestehen eines Entscheidungskonfliktes aufgrund objektiver, äußerer Umstände ablehnt, ohne den Patienten hierzu anzuhören. Grundsätzlich kommt es auf die subjektive Wertung des Patienten und seine individuellen Präferenzen und Maßstäbe an, die das Gericht nicht in unzulässiger Weise durch seine eigene Beurteilung des Konfliktes ersetzen darf. Zu beachten ist dabei, dass er seinen Entscheidungskonflikt nicht beweisen, sondern lediglich plausibel machen muss.
Aus rechtlicher Sicht ist es hierbei unbeachtlich, wie „ein verständiger Patient“ sich entschieden hätte. Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten schützt auch und gerade seine Freiheit, sich unvernünftig zu entscheiden. Deshalb dürfen an die Darlegungspflicht des Patienten keine allzu hohen Anforderungen gesetzt werden. Die persönlichen Gründe des Patienten müssen jedoch erkennen lassen, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung aus seiner Sicht vor einem echten Entscheidungskonflikt gestandenhätte, aus dem heraus eine Ablehnung der Behandlung zum damaligen Zeitpunkt verständlich wird. Dass der Patient das Aufklärungsversäumnis nicht nur ausschließlich zur Begründung seiner Schadensersatzklage nutzt, muss deutlich werden. Falls dagegen die Arztseite nicht den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erhebt, ist es dem Gericht nicht gestattet, den vom Patienten behaupteten Entscheidungskonflikt von Amts wegen auf seine Plausibilität hin zu überprüfen.
Die Arztseite beweisbelastet falls sie sich darauf beruft, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte, sie also den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erhebt. Insoweit kommt es nicht darauf an, wie ein verständiger Durchschnittspatient sich voraussichtlich entschieden hätte, sondern es nur auf die Entscheidung des konkreten Patienten ankommt, kann die Arztseite ihren Beweis nur auf Umstände stützen, die gerade die persönliche Willenslage des bestimmten Patienten betreffen. Beispiel: „Der Patient erklärte bei der Aufklärung, er wolle nur von seinen Schmerzen befreit werden,es sei ihm alles egal „.
Oder: „Damit er bis zu seinem Urlaub wieder laufen könne, war es dem Patienten wichtig, in jeden Fall sofort operiert zu werden.“ Die Aufklärungspflichtverletzung ist nicht kausal geworden, wenn sich ergibt, dass der Patient in den Eingriff auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte. Eine Haftung des Arztes für die Aufklärungspflichtverletzung scheidet dann aus. Diese Grundsätze gelten auch für die Rechtzeitigkeit und nicht nur für die Ordnungsmäßigkeit und Vollständigkeit der Aufklärung. Der zu spät aufgeklärte Patient muss auch hier (wenn sich die Arztseite auf eine hypothetische Einwilligung beruft) auf Tatsachen basierend darlegen, dass er bei rechtzeitiger Aufklärung in einen ernsthaften Entscheidungskonflikt geraten wäre.
Dann muss die Arztseite beweisen, dass der Patient dem Eingriff auch bei rechtzeitiger Aufklärung zugestimmt hätte. Gerade den Sinn hat allerdings das Gebot einer rechtzeitigen Aufklärung, die Entscheidungsfreiheit des Patienten zu sichern. Der Grund dafür liegt darin, dass bei einer Aufklärung unmittelbar vor dem Eingriff ein ruhiges und sachliches Abwägen des Für und Wider aufgrund des Situationsdrucks nicht mehr möglich ist. Wenn im konkreten Einzelfall eine Situation vorliegt, aus welcher sich nach allgemeiner Lebenserfahrung ein psychischer Druck für den Patienten ergibt, so folgt gerade aus der Tatsache der Verspätung bereits aus der Lebenserfahrung eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit, ohne dass es hierzu eines näheren Vortrags des Patienten bedarf.
Damit nicht auf diesem Weg das Aufklärungsrecht des Patienten unterlaufen werden kann gilt grundsätzlich, dass die Annahme einer hypothetischen Einwilligung restriktiv zu handhaben und sehr streng zu prüfen ist. Wenn der Patient beispielsweise über ein aufklärungsbedürftiges Risiko nicht aufgeklärt worden ist, welches sich dann später verwirklicht hat, so kann nicht alleine deshalb unterstellt werden, dass der Patient auch bei Kenntnis dieses Risikos in den Eingriff eingewilligt hätte, weil er über vergleichsweise schwerere Risiken aufgeklärt war.
Der BGH hierzu wörtlich in einer neuen Entscheidung führt aus:„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich aus der Tatsache, dass die Eltern der Klägerin in das Risiko einer Querschnittslähmung eingewilligt haben, nicht schließen, die Aufklärung über die hier in Rede stehenden weniger schweren Risiken hätte keinen Einfluss auf die Einwilligung in die Operation gehabt. Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass nach den insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts in verschiedenen Gesprächen vor der Operation das Risiko der Querschnittslähmung als äußerst gering dargestellt worden ist. Im Hinblick darauf könnte der Eindruck entstanden sein, dass dieses Risiko zu vernachlässigen sei. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Operation ohnehin nur einen Teilerfolg erwarten ließ und deswegen selbst bei geglückter Operation nicht mit völliger Beschwerdefreiheit gerechnet werden konnte. Hingegen waren bei Verwirklichung der unerwähnt gebliebenen Risiken erhebliche weitere Belastungen für die Lebensführung der jugendlichen Klägerin gegeben. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist danach nicht auszuschließen, dass die Eltern der Klägerin bei Kenntnis der möglichen Folgen, die mit der konkreten Operationstechnik verbunden waren, Bedenken bekommen und von dem Eingriff Abstand genommen hätten, um Zeit zu gewinnen und sich in Ruhe über ihre Einwilligung in den Eingriff schlüssig zu werden oder um ihn bis zur Volljährigkeit der Klägerin aufzuschieben.“