Im VersRecht gilt im Grundsatz keine andere Beweislastverteilung als im übrigen Zivilrecht: Jede Partei muss die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtsnorm oder vertraglichen Regelung beweisen, aus deren Rechtsfolge sie Ansprüche für sich herleitet.
a) Eintritt des Versicherungsfalls
In der Berufungsunfähigkeitsvers., die i.d.R. eine Zusatzvers. zur Lebensvers. ist, liegt nach § 2 der Bedingungen (BUZ) der VersFall vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich dauernd außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die auf Grund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Es sind also zwei Aspekte gegeben: Einmal muss der VersNehmer nicht mehr in der Lage sein, seine bisherige Tätigkeit auszuüben (nach den Bedingungen meist zu 50 %), zum anderen darf er auch keine andere Tätigkeit mehr ausüben können, auf die er sonst verwiesen werden könnte. Diese Zweiteilung hat auch Bedeutung für die Beweislastverteilung. Der VersNehmer muss genau darlegen – also schon um die Klage schlüssig zu machen – ggf. beweisen, welche Tätigkeit er im einzelnen zuletzt ausgeübt hat. Allgemeine Anschauungen darüber, was etwa ein Bäcker oder ein Metzger während seiner Berufsstunden macht, reichen nicht aus. Dafür sind die jeweils möglichen Tätigkeiten individuell zu vielgestaltig. Des Weiteren muss der VersNehmer darlegen und beweisen, aus welchen Gründen er diese Tätigkeit nicht mehr ausüben kann, welche Krankheit er genau hat und inwiefern diese ihn hindert, die vorher dargestellten Tätigkeiten zu dem festgelegten Prozentsatz weiter auszuüben.
Was die mögliche Verweisung auf eine andere Tätigkeit betrifft, braucht sich der VersNehmer um diese zunächst nicht zu kümmern. Es gehört zur Vortragslast des Versicherers, Vergleichsberufe, auf die er den Versicherten verweisen will, zu nennen44. Der Versicherer muss aufzeigen: Die jeweils prägenden Merkmale des von ihm vorgestellten Verweisungsberufs, insbes. die erforderliche Vorbildung, die Arbeitsbedingungen, die Entlohnung, die erforderlichen geistigen und körperlichen Fähigkeiten und den nötigen Einsatz technischer Hilfsmittel45. Erst dann kann – muss aber dann auch – der VersNehmer die Verweisung auf einen Vergleichsberuf mit substantiierten Beweisangeboten bekämpfen. Eine Ausnahme gilt, wenn der Versicherer den Versicherten auf eine Tätigkeit verweisen will, die dieser schon ausübt oder ausgeübt hat46. Dann kennt der VersNehmer die prägenden Merkmale und die sonstigen Erfordernisse, so dass er dazu konkret Stellung nehmen und erforderlichenfalls auch Beweis antreten kann.
b) Bei Selbstständigen
Bei einem mitarbeitenden Betriebsinhaber ist die Darlegungs- und Beweislast noch etwas umfangreicher. Von ihm muss verlangt werden, darzutun und notfalls zu beweisen, den Betrieb auch nicht so umorganisieren zu können, dass ihm noch eine Mitarbeit möglich ist. Dazu bedarf es auch einer Darstellung, wie sein Betrieb vor seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung organisiert gewesen ist und in welcher Art und in welchem Umfang er bis dahin mitgearbeitet hat. Diese Vortrags- und Beweislast hat mit einer Verweisung auf eine andere Tätigkeit nichts zu tun47. Der VersNehmer darf sich nicht darauf verlassen, wenn er z.B. nur pauschal vorträgt und Beweis durch Sachverständigen-Gutachten antritt, dass dies als ausreichend angesehen wird. Es ist nicht Sache des Gerichts oder des Sachverständigen, die Struktur des Betriebes und das genaue Tätigkeitsfeld des Selbstständigen darin zu ermitteln48.
c) Vermutete Berufsunfähigkeit nach sechsmonatiger Krankheit
§ 2 Abs. 3 BUZ bestimmt: Ist der Versicherte sechs Monate ununterbrochen wegen Krankheit nicht in der Lage, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, „so gilt die Fortdauer dieses Zustands als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit“. Gem. § 2 Abs. 1 BUZ liegt Berufsunfähigkeit nur vor, wenn der Versicherte „voraussichtlich dauernd“ außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben. Grundsätzlich ist der VersNehmer also auch für die, „Dauerhaftigkeit“ seiner Krankheit beweisbelastet. Es bedarf also einer Prognose. An dieser Stelle setzt die soeben zitierte Vorschrift des § 2 Abs. 3 BUZ ein. Sie ersetzt die Prognose einer Dauerhaftigkeit, wenn der VersNehmer sechs Monate arbeitsunfähig krank war49. Zur Prognose der Dauerhaftigkeit seiner Beschwerden braucht er also nicht vorzutragen und zu beweisen, sondern nur, dass er mindestens sechs Monate ununterbrochen gesundheitsbedingt außer Stande gewesen ist, seinen Beruf auszuüben und dass dieser Zustand andauert50. Das ist für den VersNehmer sehr hilfreich. Aber weitere Hilfen gibt diese Regelung nicht. So kommt diese Vermutung des § 2 Abs. 3 BUZ nicht der Darlegungs- und Beweislast zum Ausmaß der Gesundheitsbeeinträchtigung und der Möglichkeit, einen Verweisungsberuf auszuüben, zugute.
Nach einem neueren Urteil des BGH51 ist die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten noch nicht mit der Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit bewiesen. Der Versicherer ist an den Inhalt einer solchen Bescheinigung nicht gebunden.
d) Nachprüfungsverfahren
Der Versicherer ist nach § 7 BUZ berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen52. Zu diesem Zweck kann der Versicherer vom Versicherten Auskünfte und eine ärztliche Untersuchung verlangen. Kommt der Versicherer zum Ergebnis, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich so weit gebessert, dass Berufsunfähigkeit zu dem vereinbarten Prozentsatz nicht mehr gegeben ist, muss der Versicherer die dieser Ansicht zu Grunde liegenden Tatsachen beweisen53. Zur Darlegung des Versicherers, der Versicherte sei nicht mehr berufsunfähig, gehört, dass er in seiner Mitteilung darüber nachvollziehbar seine Gründe nennt. Ist ein Gutachten vorhanden, muss es zur Verfügung gestellt werden, damit der VersNehmer seine Prozesschancen ggf. mit Hilfe eines Anwalts beurteilen kann. Genügt die Mitteilung des Versicherers diesen Anforderungen nicht, ist sie unwirksam mit der Folge, dass der Versicherer weiterhin zur Leistung verpflichtet bleibt.
43Vgl. OLG Nürnberg VersR 94, 295 = r+s 94, 316; Römer/Langheid aaO Fn. 21, § 169 Rdnr. 7 m.w.N.
44BGH VersR 00, 349 = NVersZ 00, 221 = r+s 00, 170 = NJW-RR 00, 691 m.w.N.
45BGH VersR 94, 1095 = r+s 94, 391 = NJW-RR 95, 21.
46BGH VersR 99, 1134 = NVersZ 99, 515 = r+s 99, 477.
47BGH VersR 94, 205 = r+s 94, 113 = NJW-RR 94, 153 m.w.N.
48BGH VersR 91, 1358 unter 2 b = NJW-RR 92, 159.
49BGHZ 121, 284, 291 = VersR 93, 562 unter II 2 b = NJW 93, 1532.
50BGH VersR 96, 959 unter III 2 = r+s 96, 377.
51Urt. v. 3.5.00 – IV ZR 110/99 – VersR 00, 841 = NVersZ 00, 370 = ZfS 00, 403 = MDR 00, 1011, ergangen zur Krankentagegeldvers.
52BGH VersR 98, 173 = r+s 98, 78.
53BGHZ 121, 284, 293 m.w.N. = VersR 93, 562 unter III = NJW 93, 1532.