Auch die Süddeutsche Zeitung wendet sich in ihrer Wochenendausgabe im Panorama vom 21./22.01.2012 der Thematik Brustimplantate zu.
Die Autorin des Artikels hat dabei unter anderem dahingehend geäußert, dass sich das Mitleid mit denjenigen Frauen, denen die schadhaften Implantate von PIP eingesetzt wurden sowie mit denjenigen Frauen, die jetzt deswegen um Schadensersatz streiten, in engen Grenzen halte. Denn Brustimplantate – so die Autorin – wecke verstörende Fantasien „irgendwo zwischen Sexy Cora und Daniela Katzenberger“.
Selbstverständlich muss niemand Mitleid mit Frauen haben, die einen Eingriff an sich vornehmen lassen, der medizinisch nicht (zwingend) indiziert ist. Eine solche „selber Schuld“-Einstellung ist weit verbreitet. Und es ist auch erfreulich, dass die Autorin jedenfalls an sich offensichtlich keinen diesbezüglichen Handlungsbedarf sieht.
Es ist allerdings etwas kurzsichtig, von sich auf andere zu schließen und gar ein wenig Schadenfreude anklingen zu lassen nach dem Motto „Ätschbätsch – das hast du nun davon, dass man dir jetzt Fensterkitt eingebaut hat“.
Natürlich darf man hinterfragen, was das eigentlich für Frauen sind, die sich ihre Brüste operieren lassen. Die eine Frau möchte einfach wieder den Zustand vor Geburt ihrer Kinder wieder herstellen lassen, die andere hat wegen Krebs eine Brust verloren. Wieder eine andere Frau will vielleicht tatsächlich eine „zweite Katzenberger“ werden. Die Motive der betroffenen Frauen sind ebenso vielfältig wie belanglos. Es ist auch egal, in wem welche Fantasien hervorgerufen werden oder auch nicht. Das alles ist nämlich der individuellen Intimsphäre zuzurechnen und jeglichem moralischen Angriff von außen von vornherein verwehrt.
Ist es denn gerechtfertigt, die Frau, die einfach nur größere Brüste haben möchte, moralisch zu verurteilen und hingegen für die Frau, die wegen Krebs sich einer Operation unterzieht, ein klein wenig Verständnis zu äußern? Ich denke nicht. Denn eine solche Entscheidung ist stets eine höchst persönliche Entscheidung und einer moralischen Wertung in einem Rechtsstreit wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld nicht zugänglich.
Die Motivsuche der Autorin ist also gar nicht maßgeblich für das, was aktuell geschieht (bzw. leider schon geschehen ist) – und lenkt doch von der eigentlich schrecklichen Problematik ab: krebserregender Industriestoff in einem Medizinprodukt, das zur Verwendung im menschlichen Körper bestimmt ist. Egal also, welches Motiv die betroffenen Frauen auch immer hatten; es darf schlicht und ergreifend nicht sein, dass Industriesilikon von Brenntag geliefert, geprüft durch den TÜV Rheinland, in einem für Menschen bestimmten Medizinprodukt von PIP massenhaft „verbaut“ wird.
Dies hätte die Autorin moralisch bewerten sollen, statt über die betroffenen Frauen zu urteilen. Die Autorin erwähnt auch nicht, wieviel Geld nicht nur Ärzte und Kliniken, sondern auch Zulieferer und vermutlich auch der TÜV Rheinland in den letzten Jahren verdient haben.
Abgesehen davon gehen die Frauen mit ihrem individuellen Problem auch deswegen zum Arzt, um sich über eine solche Maßnahme zuerst aufklären zu lassen. Ist ein solcher Eingriff nicht riskant? Was kann bei einer Brustimplantation alles geschehen? Das sind Fragen, auf welche natüprlich die Ärzte und aber auch Juristen, die sich mit Medizinrecht beschäftigen, geben können. Die Risiken werden aber von den „Schönheitschirurgen“ regelmäßig herunter gespielt. Der Bundesgerichtshof fordert eine schonungslose Aufklärung bei Schönheitsoperationen, denn je weniger eine Operation indiziert ist, desto größer ist die Pflicht der ärztlichen Aufklärung.
Aber hier steckt der Arzt in einem Dilemma: Würde er tatsächlich so schonungslos aufklären, wie es erforderlich wäre, dann käme dies nahezu einem Ausreden des Eingriffs gleich. Und dann redet sich der Chirurg letztlich um seine Verdienstmöglichkeit.
Die Klage der Mandantin jedenfalls ist vor dem Ladgericht Karlsruhe eingereicht. Dort wird es dann nicht um moralische Fragen gehen, sondern insbesondere auch um die Aufklärung.