Eine Verletzung der Dokumentationspflicht hat keine eigenstaendige Anspruchsgrundlage zur Folge. Nach ständiger Rechtsprechung begründet die Unterlassung einer rechtlich gebotenen Dokumentation aber Beweiserleichterungen für den Patienten im Arzthaftungsprozess. Ist eine dokumentationspflichtige Maßnahme nicht aufgezeichnet worden, so spricht danach zugunsten des Patienten eine Vermutung dafür, dass diese Maßnahme auch nicht statt gefunden hat. Die unterlassenen Dokumentation entspricht einer verschwundene Dokumentation.
Ein Dokumentationsmangel hat somit nachhaltig Auswirkungen auf den vom Patienten zu erbringenden Nachweis für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Im Gegensatz hierzu hat der Dokumentationsmangel keinen Einfluss auf den vom Patienten nachzuweisenden Kausalzusammenhang (es sei denn, der Behandlungsfehler, der durch den Dokumentationsmangel vermutet wird, ist ein so genannter grober Behandlungsfehler).
Die Vermutung, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht vorgenommen worden ist, kann aber von der Behandlungsseite widerlegt werden. Insoweit kommt es somit zu einer Beweislastumkehr. Ist es dem Arzt möglich die Vornahme der nicht dokumentierten Maßnahme auf andere Art und Weise (z.B. Zeugenbeweis oder Parteivernehmung) nachweisen, bleibt der Dokumentationsmangel unbeachtlich. Das OLG Oldenburg führt hierzu aus:
„Der Mangel der Dokumentation begründet für sich allein zwar keinen Haftungsgrund. Zugunsten der Klägerin können aber Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr in Betracht kommen, da dem Patienten im Falle einer Gesundheitsschädigung die Sachverhaltsaufklärung unzumutbar erschwert wird. Den Beklagten ist es in einer solchen Situation jedoch unbenommen, die fehlende oder unzureichende schriftliche Dokumentation nachträglich zu vervollständigen. Können sie das und gelingt es ihnen ihren Vortrag zu beweisen, stellt ein etwaiger Dokumentationsmangel kein Aufklärungshindernis mehr dar. Beweiserleichterungen oder eine Beweislastumkehr sind dann nicht mehr möglich.“
Zweck der Dokumentation – Therapiesicherung und Rechenschaftspflicht
Die Therapiesicherung
Der BGH bezeichnet die Dokumentationspflicht als eine „selbstverständliche therapeutische Pflicht“ des Arztes gegenüber dem Patienten.
Dies basiert auf folgendem Hintergrund: Die sichere Weiterbehandlung des Patienten ist zum großen Teil davon abhängig, dass Befunde gesichert und gewonnene Erkenntnisse festgehalten werden. Dies gilt nicht nur für eine Weiterbehandlung durch denselben Arzt, sondern fällt erst recht ins Gewicht bei einer Weiterbehandlung durch einen anderen Arzt, sei es durch einen vom Patienten frei gewählten Nachfolger sei es durch einen Facharzt oder ein Krankenhaus, an welches der behandelnden Arzt den Patienten überweist. Eine nicht hinreichende Dokumentation erschwert die Weiterbehandlung entscheidend. Demnach müssen Röntgenbefunde gesichert werden, um dem Patienten eine zweite oder mehrfache Belastung durch weitere Röntgenuntersuchungen zu ersparen. Die Dokumentation von aufgetretenen allergischen Reaktionen auf bereits verabreichte Medikamente kann lebensrettend sein.
Der Behandlungsverlauf muss dokumentiert werden, um festzuhalten, welche Maßnahmen mit welchem Ergebnis schon durchgeführt worden sind. Es wäre sinnlos, überflüssig, verzögernd und gefährlich, wenn der Nachfolger dem Patienten Antibiotika verordnet, welche bereits vom Behandlungsvorgänger ohne Erfolg verschrieben worden sind, wenn eine Untersuchung durchgeführt wird, welche bereits ohne Befund statt gefunden hat oder wenn gar vom vorbehandelnden Arzt ein pathologischer Befund erhoben worden ist, von welchem der Nachbehandler keine Kenntnis erlangt und der aufgrund dessen unberücksichtigt und unbehandelt bleibt. Erst die Dokumentation der ergriffenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen schafft somit die Voraussetzung für eine Behandlung des Patienten durch einen mitbehandelnden oder nachbehandelnden Arzt.
Die Dokumentation ist in diesem Umfang mithin aus dringenden medizinischen Gründen unerlässlich. Soweit aus medizinischen Gründen eine Dokumentation notwendig ist, besteht auch aus rechtlichen Gründen eine Dokumentationspflicht und der Patient hat insoweit einen Rechtsanspruch darauf.
Umgekehrt kann der Patient ebenso wenig (etwa zur Wahrung des Datenschutzes) auf die Dokumentation verzichten. Die Durchführung der ärztlichen Dokumentation ist vielmehr unverzichtbar. Der Arzt kann in Anbetracht der Vielzahl der von ihm betreuten Patienten unmöglich alle Daten der Anamnese und alle erhobenen Befund im Kopf behalten. Er kann sich auch nicht die Ergebnisse jeder Diagnose und jeder Therapie merken. Folglich ist ohne Dokumentation eine ordnungsgemäße Behandlung nicht möglich. Der Arzt darf dem Wunsch des Patienten auf einen Verzicht der Dokumentation deshalb nicht nachkommen. Äußert ein Patient einen entsprechenden Wunsch, hat der Arzt den Patienten zunächst darauf hinzuweisen, dass ohne Dokumentation eine den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Behandlung unmöglich ist. Besteht der Patient gleichwohl auf einen Dokumentationsverzicht, muss der Arzt die Behandlung ablehnen.
Die Rechenschaftspflicht
Darüber hinaus hat der Arzt eine Rechenschaftspflicht. Der BGH ist der Ansicht, dass der Zweck der Dokumentationspflicht es rechtfertigt, dem Arzt die Dokumentation „als eine Art Rechenschaftspflicht aufzuerlegen, ähnlich der, die bei der Verwaltung fremden Vermögens seit langem selbstverständlich ist. Ein Vergleich der Interessenlagen kann hier zumindest nicht zu einer verminderten Aufzeichnungspflicht des Arztes im Vergleich zum Vermögensverwalter führen.“
Eine solche Rechenschaftspflicht des Arztes entspricht nicht nur der üblichen Pflicht desjenigen, der es vertraglich übernimmt, fremde Interessen wahrzunehmen (z.B. des Architekten, des Steuerberaters, des Wirtschaftsprüfers, des Rechtsanwalts, Anlageberaters, des Treuhänders, des Handelsvertreters jeweils gem. § 675 BGB und sogar des Beauftragten beim unentgeltlichen Auftrag gem. § 666 BGB), sondern ist nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Interessenlage auch sachlich geboten. So ist es naturgemäß einem narkotisierten Patient nicht möglich den Verlauf einer Operation mitzubekommen, hat aber ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, was mit ihm passiert ist. Insbesondere bei schwerwiegenden Erkrankungen hat ein Patient darüber hinaus ein schutzwürdiges und nachvollziehbares Bedürfnis eine zweite Meinung einzuholen. Dann ist es jedoch notwendig, dass er die Möglichkeit hat, die bisherigen diagnostischen und therapeutischen Schritte durch einen anderen Arzt überprüfen lassen zu können.
Schließlich liegt eine derartige Rechenschaftspflicht auch gegenüber dem Kostenträger der Behandlung (Privatpatient, private Krankenkasse, gesetzliche Krankenkasse) vor. Dieser muss nachvollziehen können, inwieweit und welche erstattungsfähigen Leistungen erbracht worden sind
Notwendigkeit des Dokumentationszwecks der Beweissicherung
Zwar besteht Einigkeit über die Dokumentationszwecke der Therapiesicherung und der Rechenschaft, jedoch ist umstritten, ob und inwieweit die Dokumentation dem Zweck der Beweissicherung dient oder dienen darf.
Nach außen hin wird von der Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur immer wieder betont, dass Ziel und Zweck der Dokumentation nicht die forensische Beweissicherung ist. Diese Meinung gibt immer wieder formelartig den folgenden Satz vor: „Eine Dokumentation, die medizinisch nicht erforderlich ist, ist ebenso wenig aus Rechtsgründen geboten.“ So konsequent dieser Standpunkt bei formaler Betrachtung vertreten wird, so inkonsequent zeigt er sich bei einer genaueren inhaltlichen Analyse. Dieselben Autoren und Gerichte, welche eine Dokumentation zum Zweck der Beweissicherung kategorisch ablehnen, vertreten die Ansicht, dass ein geführtes Aufklärungsgespräch aufgezeichnet werden muss, dass die Ablehnung einer vom Arzt empfohlenen therapeutischen oder diagnostischen Maßnahme durch den Patienten zu dokumentieren ist, dass in die Krankendokumentation aufgenommen werden muss, wenn ein Patient wünscht das Krankenhaus gegen den ärztlichen Rat zu verlassen, dass dokumentiert werden muss, wenn an der Operation ein Arztanfänger bzw. ein in der Ausbildung befindlicher Arzt mitgewirkt hat und ebenso zu dokumentieren ist, wie dieser Anfänger beaufsichtigt worden ist, dass die Kontrolle des Blutdrucks einer Schwangeren bei der Geburt auch dann dokumentiert werden muss, wenn das Ergebnis der Messung Normalwerte gezeigt hat und dass die Erteilung einer therapeutischen Sicherheitsaufklärung zu dokumentieren ist.
Zudem legt der BGH unterschiedliche Maßstäbe an, falls mit der Operation ein Berufsanfänger betraut ist. Dann muss nach der Rechtsprechung die Dokumentation noch um einiges gewissenhafter erfolgen als bei einem erfahrenen Operateur. Eine Dokumentationspflicht kann in keinem einzigen der vorgenannten Fälle mit medizinischen Notwendigkeiten gerechtfertigt werden. Für den nachbehandelnden Arzt ist es unerheblich, aus welchen Gründen ein Patient einen früheren stationären Aufenthalt beendet hat, ob ein Patient eine Aufklärung vor einem in der Vergangenheit liegenden Eingriff statt gefunden hat oder ob ein Arztanfänger bei einer längst abgeschlossenen Operation ausreichend überwacht worden ist. In Anbetracht rein medizinischer Gesichtspunkte ist eine Dokumentation dieser Punkte überflüssig. Die (auch von der Rechtsprechung und Literatur ausdrücklich anerkannte) Dokumentationspflicht in diesen vorgenannten Fällen hat allein den Zweck der Beweissicherung und kann auch nur mit diesem Zweck erklärt werden.
Dokumentationszweck der Beweissicherung wegen der Beweislast
Unter dem Gesichtspunkt, dass sowohl im Rechtsleben, als auch in unserer Gesellschaft jeder Urkunde und jeder Dokumentation zugleich auch eine Beweisfunktion zukommt, erscheint es wenig verständlich, warum hiervon gerade die für einen Patienten oft ausschlaggebende ärztliche Dokumentation ausgenommen sein soll. Eine derartige Dokumentationspflicht aus Gründen der Beweissicherung kann dem Arzt auch zugemutet werden. Sie erscheint mit Rücksichtnahme auf die Interessen von Arzt und Patient angemessen und trägt der ohnehin schwierigen Beweissituation des Patienten im Arzthaftungsprozess Rechnung. Wie kann der Patient den Negativbeweis führen, dass er nicht darüber aufgeklärt worden ist, dass er eine Diät einzuhalten hat, dass er das Rauchen einzustellen hat, dass er zur Thromboseprophylaxe das Bein belasten muss, dass bei Abbruch einer Therapie gesundheitliche Risiken bestehen oder dass es auch nach einer Sterilisation möglich ist, schwanger zu werden? Der Arzt hat es allerdings in der Hand, sich durch einen kurzen Vermerk in der Krankenakte (vier Worte: „Patient auf Diät hingewiesen“) oder indem er sich in besonderen Fällen sogar die Kenntnisnahme von einem erteilten ärztlichen Hinweis vom Patienten schriftlich versichern lässt, eine Grundlage für eine spätere Beweisführung zu schaffen.
Erfüllt der Arzt diese (aus Gründen der Beweissicherung bestehenden) Dokumentationspflicht und hat er einen entsprechenden Hinweis dokumentiert, so hat die Beweislast für die Verletzung der therapeutischen Aufklärungspflicht der Patient. Fehlt dagegen der erforderliche Hinweis in der Dokumentation, so kann an die Verletzung der Dokumentationspflicht Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr geknüpft werden. Folgerichtig ist somit auch die Beweissicherung ein legitimer und erforderlicher Zweck der Dokumentation. Der Sache nach, kommen Literatur und Rechtsprechung zu ähnlichen Ergebnissen, jedoch ohne ihren damit unvereinbaren Ausgangspunkt aufzugeben. So hatte der BGH, in einer Grundsatzentscheidung, die Frage der Aufklärung über das „Versagerrisiko“ bei einer Sterilisation (nämlich der Möglichkeit einer Rekanalisierung der Eileiter) und der Beweislast für die Erteilung eines derartigen Hinweises thematisiert.
Der BGH klärte vorab, dass es sich hierbei nicht um eine Frage der Selbstbestimmungsaufklärung handelt (für welche der Arzt beweisbelastet ist), sondern um einen Fall der therapeutischen Sicherheitsaufklärung (und damit nach herrschender Meinung um einen Behandlungsfehler, für den der Patient die Beweislast trägt). Sodann deutet der BGH darauf hin, dass wegen der Fehlschläge, die in einem gewissen Umfang bei Sterilisationen für den Arzt unvermeidbar sind, regelmäßig gerichtliche Auseinandersetzungen zu befürchten sind. Daran anknüpfend erläutert der BGH: „Bei dieser Sachlage liegt es heute für den Arzt, der eine Sterilisation aus Gründen der Familienplanung durchführt, so nahe, sich seinen Hinweis auf die Versagerquote schriftlich bestätigen zu lassen, dass die Unterlassung dieser Vorsichtsmaßnahme ein Beweisanzeichen dafür bewirkt, dass der Erfüllung dieser aus dem Behandlungsvertrag folgenden Nebenpflicht nicht nachgekommen worden ist.“
Auch diesbezüglich sind Rechtsprechung und herrschende Lehre inkonsequent, wenn sie auf der einerseits die Beweissicherung als Zweck der Dokumentation ablehnen, andererseits aber im Fall des Nichtdokumentierens (einer aus medizinischen Gründen nicht dokumentationspflichtigen Maßnahme!) gerade beweisrechtliche Nachteile für den Arzt annehmen. Es ist jedoch lediglich dann gerechtfertigt, Beweiserleichterungen zu Lasten des Arztes vorzunehmen, wenn dem Arzt zudem der Vorwurf gemacht werden kann, eine ihm obliegende Dokumentationspflicht verletzt zu haben. Es bleibt also dabei, dass auch die Beweissicherung ein notwendiger und dem Arzt zumutbarer Zweck der Dokumentation ist.
In nicht vielen Entscheidungen hat der BGH dies auch beiläufig zugestanden, ohne jedoch seinen damit unvereinbaren dogmatischen Ausgangspunkt aufzugeben. Nach Meinung des BGH hat ein Operateur, der Berufsanfänger ist, um einiges detaillierter zu dokumentieren als ein erfahrener Operateur. Der BGH begründet dies wie folgt: „Um wenigstens eine gewisse Kontrolle im Interesse seiner Ausbildung und insbesondere auch im Interesse des Patienten zu gewährleisten, muss von ihm verlangt werden, dass er den Verlauf der Operation genau aufzeichnet. Das Fehlen eines Operationsberichtes über einen von einem Berufsanfänger selbständig durchgeführten Eingriff erschwert die Beweissituation des geschädigten Patienten zusätzlich in nicht zu rechtfertigender Weise, und zwar um so mehr, je komplizierter und risikoreicher ein solcher Eingriff ist.“
Zur Begründung der höheren Anforderungen an die Dokumentationspflicht eines Berufsanfängers, die mit medizinischen Gründen gerade nicht erklärbar ist, stellt der BGH somit explizit auf die Beweissicherungsfunktion der Dokumentation zugunsten des Patienten ab.
In einer weiteren Entscheidung hat der BGH darauf hingewiesen, dass in der Geburtsphase eine durchgeführte Blutdruckkontrolle auch dann zu dokumentieren ist, wenn die Messung Normalwerte ergibt. Der BGH ist der Auffassung, dass das Fehlen einer derartigen Dokumentation dazu führt, „dass dem Patienten zum Ausgleich der hierdurch eingetretenen
Erschwernis, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine entsprechende Beweiserleichterung zugute kommt.“ Folglich stellt der BGH ebenso in dieser Entscheidung ausdrücklich auf die Beweissicherungsfunktion der Dokumentation ab.
Inhalt und Umfang der Dokumentation im Allgemeinen
Inhalt und Umfang der Dokumentation sind zweckorientiert.
Dokumentationspflichtig sind hiernach zunächst Anamnese, Diagnose und Therapie und alle relevanten Informationen über den Therapieverlauf. Dies umfasst auch die erhobenen Befunde, die Krankenpflege, die angeordnete Medikation, Narkoseprotokoll, Operationsmethode, Operationsverlauf, die Person des Operateurs, den Wechsel des Operateurs, eingetretene Zwischenfälle, präoperativer Allgemeinzustand, getroffene Vorkehrungen gegen Selbstverletzungen des Patienten, jede Abweichung von Standardmethoden und Standardvorgängen. Selbstverständlichkeiten und Routinemaßnahmen unterliegen hingegen nicht dokumentationspflichtig, es sei denn wiederum aus der Routinemaßnahme resultiert ein dokumentationspflichtiger Befund.
So stellt die Desinfektion der Haut vor einer Injektion eine nicht dokumentationspflichtige Routinemaßnahme dar. Die Tatsache, dass in der Zeit eines stationären Aufenthaltes routinemäßige Fieber gemessen worden ist, ist nicht dokumentationspflichtig, wenn das Messen ohne Befund bleibt. Hatte der Patient dagegen Fieber, so ist die Temperatur zu dokumentieren. Aufschlussreich für den Umfang der Dokumentationspflicht ist die Entscheidung des BGH zur Lagerung eines Patienten während einer Operation. Der BGH erläutert zunächst, dass die Methode, nach welcher der Patient gelagert wird, für einen Fachmann plausibel dokumentiert werden muss. Sodann führt der BGH aus:
„Steht die Art der Lagerung des Patienten während der Operation allgemein fest, resultiert die technische Durchführung der Lagerung aus den allgemein anerkannten, dabei einzuhaltenden medizinischen Regeln. Diese brauchen nicht jedes Mal schriftlich festgehalten werden. Anders wäre es nur, falls im Einzelfall von der Norm abgewichen werden soll oder wenn es während der Operation nicht ganz unbedeutenden Korrekturen anfallen. Ebenso brauchen solche Routinemaßnahmen wie die Kontrolle der ordnungsgemäßen Lagerung des Patienten nicht jedes Mal speziell dokumentiert zu werden. Die Aufzeichnungen über den Verlauf einer Operation und über die dabei eingesetzte Anästhesie haben die wesentlichen Fakten wiederzugeben. Ins Detail ist hierbei nur dann zu gehen, wenn anders der Operationsverlauf und die dabei angewandten Techniken nicht nachvollziehbar sind.“
Diese Ausführungen des BGH sind grundsätzlich auf jede Dokumentation übertragbar. Es sind die Grundlagen zu dokumentieren und alle sich im Verlauf ergebenden Besonderheiten, Auffälligkeiten, Änderungen, Abweichungen oder Unregelmäßigkeiten. Medizinische Selbstverständlichkeiten, die Einhaltung der Routine und das Ausbleiben besonderer Vorkommnisse müssen im Gegensatz nicht protokolliert werden. Es wäre ein unnötiger, unzumutbarer und zeitraubender Formalismus, müsste ein Arzt bei jeder Operation die für diesen Eingriff bestehenden Richtlinien, Leitlinien oder Empfehlungen aufs Neue abschreiben.
Inhalt und Umfang der medizinischen Dokumentation wird im Allgemeinen von der medizinischen Praxis geprägt. Das Gericht hat über die Frage, ob einzelne Tatsachen aus medizinischer Sicht zu dokumentieren sind, gegebenenfalls ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Der Regelfall ist es in der medizinischen Praxis etwa, nur einen positiven Untersuchungsbefund zu dokumentieren, einen negativen Befund dagegen nicht. Auch insoweit ist jedoch im Einzelfall ein abweichender medizinischer Standard möglich. Deshalb ist im Entbindungsstadium der Blutdruck der Schwangeren aus medizinischen Gründen selbst dann zu dokumentieren, wenn sich bei der Messung ein Normalwert ergibt.
Der BGH verweist hinsichtlich dieser Dokumentationspflicht auf die aus medizinischer Sicht bestehende Wichtigkeit des Parameters im Entbindungsstadium. Die Bedeutung der medizinischen Praxis für die Dokumentation muss aber auf Dokumentationspflichten eingegrenzt werden, deren Zweck die Therapiesicherung ist. Hier handelt es sich um rein medizinische Fragestellungen und Maßstäbe, wenn zu beurteilen ist, welche Informationen, Daten und Feststellungen für den nachbehandelnden Arzt im Interesse einer regelrechten und effektiven Weiterbehandlung des Patienten notwendig sind. Soweit eine Dokumentation jedoch den Zweck der Beweissicherung verfolgt, ist es naturgemäß nicht die Aufgabe der Medizin, Dokumentationsstandards hervor zu bringen. Hier geht es um originär rechtliche Fragestellungen und diesbezüglich ist es allein Aufgabe der Gerichte, die nötigen (rechtlichen) Maßstäbe zu entwickeln.
Form der Dokumentation
Die Dokumentationspflicht erfordert nicht, dass ein medizinischer Laie die Aufzeichnungen nachvollziehen kann. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Dokumentation für einen Fachmann hinreichend verständlich ist.
Die medizinische Praxis ist auch ausschlaggebend dafür, in welcher Form eine Dokumentation zu erfolgen hat: Abkürzungen, Stichworte, Zeichnungen oder Skizzen können genügen. Wurde der Patient vor einer Wirbelsäulenoperation auf dem Operationstisch in Knie-Ellenbogen-Lage (so genannte „Häschenstellung“) gelagert, so ist es möglich zur Dokumentation der gewählten Lagerungsart ein zeichnerisches Symbol (zwei Hasenohren) ausreichen zu lassen, wenn für einen Fachmann dadurch erkennbar wird, nach welcher Methode gelagert worden ist.
Aus dem Zweck der Dokumentation folgt allerdings, dass sie in nachvollziehbarer Form erfolgen muss. Eine digitale Dokumentation ist hierbei ausreichend. Gleiches gilt für die Dokumentation in Form von Videoaufzeichnungen. Ebenso können Röntgen- und Sonographieaufnahmen dabei in elektronischer Form dokumentiert und gespeichert werden. Für Röntgenaufnahmen gilt dies allerdings gem. § 28 Abs. 5 S. 2 RöntgenV nur mit der Maßgabe, dass diese erst dann in elektronischer Form aufbewahrt werden dürfen, wenn eine Wartezeit von drei Jahren nach Durchführung der Röntgenaufnahme verstrichen ist. Diese Wartefrist betrifft lediglich die Röntgenaufnahmen selbst, nicht jedoch Aufzeichnungen über die Anwendung von Röntgenstrahlen. Die Wartefrist des § 28 Abs. 5 RöntgenV ist nicht für die neue Technik der digitalen Radiographie anwendbar. Deren Vorteil, nämlich die Möglichkeit von Röntgenaufnahmen ohne teures Ausdrucken der Aufnahmen und ohne platzraubendes und anfälliges Aufbewahren eines gegenständlichen Ausdrucks, wäre andernfalls nämlich obsolet.
Zeitpunkt der Dokumentation
Der Zeitpunkt, zu dem die ärztliche Dokumentation spätestens vorzuliegen hat, ergibt sich aus dem Zweck der Dokumentation. Aus dem Dokumentationszweck der Therapiesicherung ergibt sich, dass die Dokumentation spätestens zum Zeitpunkt der Weiterbehandlung gegeben sein muss. Wann sie erstellt worden ist, ist unter diesem Aspekt dagegen ohne Bedeutung, solange die Dokumentation alle medizinisch erforderlichen Informationen beinhaltet. Ausschlaggebend ist hier vor allem die Gedächtniskapazität des Arztes. Ärzte in einer großen Krankenhausambulanz oder niedergelassene Ärzte in einer Praxis, die Tag für Tag mit einer Vielzahl von Fällen und Patienten (etliche hiervon dem Arzt bislang unbekannt) konfrontiert werden, müssen die Dokumentation noch während der Behandlung oder jedenfalls unmittelbar im Anschluss an jede einzelne Behandlung vornehmen. Aufgrund der Beschränkungen des Gedächtnisses gehen andernfalls wichtige Informationen verloren oder werden durch die Erinnerung verfälscht oder mit anderen Krankengeschichten vermischt oder verwechselt. Behandelt der Arzt dagegen eine überschaubare Anzahl an Patienten und hat er sich Notizen gemacht, ist es ausreichend, wenn er die Reinschrift am Abend eines jeden Behandlungstages fertig stellt.
Neben dem therapeutischen Sinn der Dokumentation fungiert diese auch dem Patienten zur Beweisführung. Hier ist maßgeblich, dass der Arzt zu einem Zeitpunkt dokumentiert, zu dem sein Erinnerungsvermögen noch frisch ist und noch nicht getrübt durch spätere Ereignisse. Je später dokumentiert wird, desto eher besteht die Gefahr, dass die eventuell medizinisch unwichtigen, aber rechtlich relevanten Fakten vergessen werden oder unrichtig aufgezeichnet werden und desto wertloser wird die Dokumentation. Vor allem dann, wenn eine Dokumentation erst zu einem Zeitpunkt angefertigt wird, zu dem bereits ein Behandlungsfehler vom Patienten geltend gemacht wird oder der Patient Einsicht in die Dokumentation verlangt oder gar ein Arzthaftungsprozess bevor steht, liegt es nahe, dass der Arzt bewusst oder unbewusst den Versuch unternimmt, sich zu rechtfertigen und zu exkulpieren. Je später dokumentiert wird, desto eher existiert eine Selbstbegünstigungstendenz des Aufzeichnenden. Mit zunehmendem Zeitablauf verliert die Dokumentation damit ihre Bedeutung als Beweismittel, so dass sie diesbezüglich dann verspätet ist. Die Beweissicherungsfunktion der Dokumentation leidet auch bei nachträglichen Änderungen, Streichungen, Neufassungen oder Ergänzungen der Dokumentation. Unter diesem Aspekt ist jede nachträgliche Intervention in die Dokumentation eine unzulässige Manipulation und damit eine Dokumentationspflichtverletzung.
Die Rechtsprechung hat bis heute zu einigen Extremfällen Stellung genommen. Das OLG Köln hat einen Fall entschieden, in welchem der Operationsbericht zwei Jahre nach der Operation gefertigt worden ist. Dabei hat es diesen verspäteten Operationsbericht ohne weiteres einer vollständig fehlenden Dokumentation gleichgestellt.
Hierzu führt das OLG aus:
„Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Th. sind bei Nasenscheidewandoperationen Schutzmaßnahmen zur Erhaltung des Geruchssinns so zu treffen, dass bei der Ablösung des Mukoperichondriums von Septumknorpel und Septumknochen die Schleimhaut nicht verletzt werden kann. Die Anwendung der dazu nötigen Technik ist – so der Sachverständige – im Operationsbericht zu dokumentieren. Da eine zeitnahe Dokumentation des aufzuzeichnenden operativen Vorgehens nicht vorhanden ist, wird zugunsten der Klägerin vermutet, dass der Beklagte die zum Schutz des Geruchssinns erforderlichen operationstechnischen Maßnahmen unterlassen und daher fehlerhaft gehandelt hat.“
Das OLG Saarbrücken will demgegenüber eine verspätete Dokumentation nicht grundsätzlich einer fehlenden Dokumentation gleichstellen, sondern die Tatsache der Verspätung lediglich bei der Beweiswürdigung gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO berücksichtigen. Die Entscheidung basiert auf einem Fall, bei welchem der Operationsbericht zehn Monate nach der Operation erstellt worden ist.
Dort heißt es:
„Zwar gibt der vom HNO-Arzt unter dem 10.3.1987 erstellte Operationsbericht den Eingriff vom 26.5.1986, und zwar auch hinsichtlich der dabei aufgetretenen Blutungen, in einer Weise wieder, die auf die wesentlichen Punkte Bezug nehmen und daher nicht als lückenhaft oder unzulänglich bezeichnet werden kann, und die ersichtlich auch vom Sachverständigen Prof. B als ausreichend und brauchbar gewertet wurde. Wohl aber ist dieser Operationsbericht erst am 20.3.1987 und somit erst fast ein Jahr nach dem Eingriff gefertigt worden und genügt insoweit nicht dem Erfordernis, wonach die Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem dokumentierten Eingriff zu erfolgen hat. Ob man einen Fall wie den vorliegenden, in dem der Operationsbericht betreffend einen recht häufigen und eigentlich verhältnismäßig unkomplizierten Eingriff erst ungefähr zehn Monate nach dem Eingriff erstellt wird, ohne dass allerdings Anhaltspunkte für eine dem zugrunde liegende Vertuschungsabsicht ersichtlich sind, mit dem Fall vergleichbar sein kann, dass ein Operationsbericht gar nicht oder nur lückenhaft erstellt worden ist, erscheint zweifelhaft. Näher liegend weil fallangebrachter ist es wohl, in einem solchen Fall die verspätete Anfertigung des Operationsberichts bei der Würdigung der inhaltlichen Richtigkeit dieses Berichts gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO zu berücksichtigen.“
Auch wenn beide Entscheidungen zunächst widersprüchlich erscheinen, ist beiden zuzustimmen. Der Ausgangspunkt des OLG Saarbrücken ist dogmatisch korrekt und die Einordnung unter § 286 Abs. 1 ZPO trägt dem Zweck der Dokumentation als Beweismittel Rechnung. Eine schematische Behandlung der Fälle, in denen die Dokumentation verspätet angefertigt worden ist, ist nicht sachgerecht und verbietet sich. Der Weg über § 286 Abs. 1 ZPO ermöglichst es dem Richter in einem Arzthaftungsprozess auf die Besonderheiten des Einzelfalles einzugehen. Nach Ablauf bestimmter Fristen wird eine Dokumentation jedoch schlichtweg wertlos. In Anbetracht der begrenzten menschlichen Gedächtniskapazitäten ist eine Dokumentation, die nach mehr als sechs Monaten erstellt wird, unbrauchbar. In der Erinnerung des Aufzeichnenden hat sich dann zumindest unbewusst ein Bild konstituiert, bei welchem zahlreiche Details verloren, andere verändert oder entstellt und neue, tatsächlich nicht geschehende Tatsachen hinzugekommen sind. Insoweit ist dem OLG Köln zuzustimmen, dass nach Ablauf mehrerer Monate eine dann erst verspätet erstellte Dokumentation einer fehlenden Dokumentation gleichkommt.
Die dokumentationspflichtige Person
Schuldner der Dokumentationspflicht ist diejenige natürliche oder juristische Person, welche sich rechtlich zur Behandlung des Patienten verpflichtet hat. Eine juristische Person greift hierfür auf ihr Personal zurück. Insbesondere innerhalb eines Krankenhauses wird die Frage aufgeworfen, wer konkret für die Dokumentation der Behandlung zuständig ist. Hierzu sind vor allem zwei Meinungen vertretbar: Zum einen kann die Dokumentationspflicht denjenigen treffen, der für die gesamte Behandlung verantwortlich ist. Dies ist regelmäßig der Leiter der betroffenen Krankenhausabteilung. Zum anderen kann die Verantwortung für die Dokumentation der Person zu Teil werden, welche für den einzelnen Behandlungsabschnitt zuständig ist. So wäre die Krankenschwester, die eine Pflegmaßnahme vornimmt rechtlich auch für deren Dokumentation verantwortlich und der einzelne Arzt für den jeweils ihn betreffenden Behandlungsabschnitt.
Nochmals ist darauf hinzuweisen, dass die Dokumentationspflicht unabhängig von ihrer dogmatischen Herleitung auch im deliktischen Bereich gilt. Ebenso wie ein Krankenpfleger oder ein Stationsarzt deliktisch für Verstöße gegen die Regeln der Kunst haften, besteht eine deliktische Haftung auch für Dokumentationspflichtverletzungen. Jeder Arzt und jede ärztliche Hilfskraft, die eine dokumentationspflichtige Maßnahme durchführt, ist auch rechtlich verantwortlich für deren Dokumentation. Jeder Beteiligte, der für eine einzelne Behandlungsmaßnahme verantwortlich oder mitverantwortlich ist, ist auch für die jeweilige Dokumentation (mit-)verantwortlich. Dementsprechend kann ein Dokumentationsmangel und die daraus resultierenden rechtlichen Folgen (Beweiserleichterungen, Beweislastumkehr) auch nur dem einzelnen Mitarbeiter zugerechnet werden, der für die Dokumentation verantwortlich ist. Im Gegensatz hierzu sind dem Krankenhausträger die Versäumnisse seiner Mitarbeiter ohne weiteres gem. § 278 BGB bzw. gem. §§ 831, 31 BGB zurechenbar.
Die Person, die nach den oben genannten Grundssätzen für die Dokumentation verantwortlich ist, muss diese jedoch nicht eigenhändig erstellen, sondern kann sich hierfür vielmehr seiner Hilfskräfte oder Kollegen bedienen. So kann der operierende Oberarzt den OP-Bericht von dem assistierenden, in der Facharztausbildung befindlichen Arzt anfertigen lassen. Der niedergelassene Arzt hat die Möglichkeit die Dokumentation seinen Sprechstundenhilfen zu übertragen. Jedoch muss immer klar erkennbar bleiben, wer die Behandlungsmaßnahme durchgeführt hat.
Folgen einer Dokumentationspflichtverletzung
Eine Verletzung der Dokumentationspflicht hat keine eigenstaendige Anspruchsgrundlage zur Folge. Nach ständiger Rechtsprechung begründet die Unterlassung einer rechtlich gebotenen Dokumentation aber Beweiserleichterungen für den Patienten im Arzthaftungsprozess. Ist eine dokumentationspflichtige Maßnahme nicht aufgezeichnet worden, so spricht danach zugunsten des Patienten eine Vermutung dafür, dass diese Maßnahme auch nicht statt gefunden hat. Die unterlassenen Dokumentation entspricht einer verschwundene Dokumentation.
Ein Dokumentationsmangel hat somit nachhaltig Auswirkungen auf den vom Patienten zu erbringenden Nachweis für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Im Gegensatz hierzu hat der Dokumentationsmangel keinen Einfluss auf den vom Patienten nachzuweisenden Kausalzusammenhang (es sei denn, der Behandlungsfehler, der durch den Dokumentationsmangel vermutet wird, ist ein so genannter grober Behandlungsfehler).
Die Vermutung, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht vorgenommen worden ist, kann aber von der Behandlungsseite widerlegt werden. Insoweit kommt es somit zu einer Beweislastumkehr. Ist es dem Arzt möglich die Vornahme der nicht dokumentierten Maßnahme auf andere Art und Weise (z.B. Zeugenbeweis oder Parteivernehmung) nachweisen, bleibt der Dokumentationsmangel unbeachtlich. Das OLG Oldenburg führt hierzu aus:
„Der Mangel der Dokumentation begründet für sich allein zwar keinen Haftungsgrund. Zugunsten der Klägerin können aber Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr in Betracht kommen, da dem Patienten im Falle einer Gesundheitsschädigung die Sachverhaltsaufklärung unzumutbar erschwert wird. Den Beklagten ist es in einer solchen Situation jedoch unbenommen, die fehlende oder unzureichende schriftliche Dokumentation nachträglich zu vervollständigen. Können sie das und gelingt es ihnen ihren Vortrag zu beweisen, stellt ein etwaiger Dokumentationsmangel kein Aufklärungshindernis mehr dar. Beweiserleichterungen oder eine Beweislastumkehr sind dann nicht mehr möglich.“
Beispiel zu den Folgen einer Dokumentationspflichtverletzung
Der Patient behauptet, um 16.10 Uhr wurde keine Kontrolle durch Vornahme eines CTG durchgeführt. Die Arztseite ist vom Gegenteil überzeugt. Dokumentiert ist erst eine CTG-Kontrolle um 16.50 Uhr. In diesem Fall wird vermutet, dass auch erst um 16.50 Uhr eine CTG-Kontrolle durchgeführt worden ist und eine Kontrolle um 16.10 Uhr nicht stattgefunden hat. Der Arzt kann dann durch Vernehmung der Hebamme als Zeugin nachweisen, dass trotz der fehlenden Dokumentation eine CTG-Kontrolle um 16.10 Uhr erfolgt ist. Behauptet der Patient dagegen, um 16.10 Uhr sei ebenfalls eine CTG-Kontrolle durchgeführt worden und das CTG habe insoweit einen pathologischen Befund erkennen lassen und die Arztseite behauptet, es sei keine CTG-Kontrolle, so greifen keine Beweiserleichterungen ein. Es ist nämlich kein Widerspruch zwischen dem Vortrag der Arztseite und der erfolgten Dokumentation ersichtlich. Der Arzt kann nicht die Obliegenheit, etwas zu dokumentieren, was (nach seinem eigenen Vortrag) gar nicht erfolgt ist. Der Patient muss hier den vollen Beweis dafür erbringen, dass schon um 16.10 Uhr ein CTG geschrieben worden ist.
Der Kläger brach bei einem Unfall den Oberarm. Bereits am selben Tag wurde er daraufhin vom Beklagten operativ versorgt. Der Beklagte führte hierbei eine so genannte „Küntscher-Marknagelung“ durch. Der Operationsbericht wies dabei keinen Hinweis auf Auffälligkeiten oder Besonderheiten aus. Postoperativ wurde noch am selben Tag eine Röntgenkontrolle durchgeführt. Aus dem radiologischen Befund war erkennbar, dass ein etwa 5,5 cm langer Knochenteil herausgesprengt worden war. Der Kläger behauptet, dass diese Sprengung des Schafts erst durch den Beklagten auf Grund mangelnder Sorgfalt beim Einschlagen des Nagels verursacht worden ist. Der Beklagte behauptet dagegen, die Abspaltung des Bruchstücks sei unfallbedingt veranlasst.
Der Kläger erlitt bei seiner Geburt eine Hirnschädigung, die von eklamptischen Anfällen seiner Mutter in der Phase unmittelbar vor der Entbindung stammt. Der Beklagten ist der die Geburt betreuende Gynäkologe. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe die Gefahr drohender eklamptischer Anfälle der Mutter des Klägers nicht erkannt, weil er es pflichtwidrig unterlassen habe, deren Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren. Der Beklagte behauptet dagegen, er habe den Blutdruck regelmäßig überprüft. Da dieser Normalwerte aufzeigte, hätten die Messungen insoweit indes nicht aufgezeichnet werden müssen.
Der Entscheidung des BGH im letzten Beispiel besagt, dass „wegen der Wichtigkeit dieses Vitalparameters im Entbindungsstadium aus medizinischer Sicht geboten gewesen sei, Blutdruckwerte auch dann zu dokumentieren, wenn sie einen Normalwert ergeben hätten.“ Zu den Folgen der fehlenden Dokumentation der Blutdruckkontrolle führt der BGH im Anschluss folgendes aus: „Auf dieser Grundlage konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler davon ausgehen, dass dem Beklagten der Nachweis obliege, dass er tatsächlich die erforderliche Blutdruckmessung durchgeführt habe. Das Berufungsgericht hat insoweit auch nicht verkannt, dass das Vorliegen eines Behandlungsfehlers grundsätzlich vom Patienten zu beweisen ist und dass ein Dokumentationsmangel keine eigenständige Anspruchsgrundlage begründet. Indessen kann ein solcher Mangel zur Folge haben, dass dem Patienten zum Ausgleich der hierdurch aufgetretenen Erschwernis, einen ärztlichen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine entsprechende Beweiserleichterung zugute kommt, so dass auch für die Prozessführung eine gerechte Rollenverteilung im Arzt-Patienten-Verhältnis geschaffen wird. Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats ist es dem Tatrichter gestattet aus der Nichtdokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme bis zum Beweis des Gegenteils durch die Behandlungsseite darauf zu schließen, dass die Maßnahme unterblieben ist.“
Neben der Vermutung, dass eine nicht dokumentierte, aber dokumentationspflichtige Maßnahme nicht durchgeführt worden ist bzw. eine nicht dokumentierte, aber dokumentationspflichtige Tatsache nicht vorgelegen hat, ist es möglich, dass ein Dokumentationsmangel auch noch in anderer Hinsicht zu Beweiserleichterungen führt.
Der BGH hatte einige Fälle zu entscheiden, in denen aus ungeklärten Gründen Röntgenaufnahmen oder EKG-Auswertungen aus den Behandlungsunterlagen verschwunden sind. In dem ersten Fall wurde bei dem Kläger einer Gallenblasenoperation durchgeführt. Hierbei entfernte der Beklagte operativ einen Gallenstein. Intraoperativ wurden dabei Röntgenaufnahmen erstellt. Bei einer Röntgenkontrolle nach vier Tage wurde ein weiterer Gallenstein im Gallengang entdeckt und der Kläger musste erneut operiert werden. Der Kläger behauptet nunmehr, der Beklagte habe bei der Erstoperation den später aufgefundenen Gallenstein behandlungsfehlerhaft übersehen. Die intraoperativ gefertigten Röntgenaufnahmen sind aus ungeklärten Gründen nicht mehr auffindbar, so dass der beauftragte Sachverständige objektiv nicht mehr feststellen kann, ob der Beklagte den zweiten Gallenstein hätte erkennen und entfernen müssen.
Der BGH erklärt hierzu:
„Diese Unklarheit darf sich jedoch nicht zum Nachteil des Klägers auswirken. Vielmehr trägt grundsätzlich der Krankenhausträger die Beweislast, wenn Krankenunterlagen, die Auskunft über das Behandlungsgeschehen geben, aus ungeklärten Gründen nicht mehr aufzufinden sind. . . . Daraus folgt, dass der Kläger des Beweises seiner Behauptung, dass der Reststein auf den zum Zeitpunkt der Operation gefertigten Röntgenaufnahmen erkennbar gewesen ist, enthoben ist.“
Die fehlende Dokumentation gelangt hier also nicht entsprechend den oben dargestellten Fallgestaltungen zu dem Ergebnis, dass eine Röntgenaufnahme als nicht vorgenommen gilt, sondern vielmehr wird weitergehend vermutet, dass die Röntgenaufnahme einen für den Kläger günstigen Befund ausweisen.
Inhalt und Umfang der Dokumentation im Einzelnen
Der Dokumentation im Einzelnen unterliegt Folgendes:
- Medikation
- Anamnese
- Operationsmethode und Operationsverlauf inklusive einer Beschreibung des Operationssitus, der gelegten Drainagen, des verwendeten Nahtmaterials, der verwendeten Tücher und Tupfer, der Person des Operateurs und eines Wechsels des Operateurs (Operationsbericht
- Narkose inklusive Art, Zeitraum und Verlauf der Anästhesie, präoperativem Allgemeinzustand, Angaben zur Prämedikation, Herzfrequenz, Blutdruck, Lagerung des Patienten während der Operation und in Bezug auf Lagerschäden ergriffene Vorbeugemaßnahmen (Anästhesie- oder Narkoseprotokoll)
- Allergien, Medikamentenunverträglichkeit
- durchgeführte Diagnosemaßnahmen mit positivem Ergebnis
- die ärztliche Feststellung, dass der Patient für eine spezielle Erkrankung ein Risikopatient ist und deshalb eine besondere Prophylaxe erforderlich ist oder für den Patienten eine besondere Gefahrenlage besteht, die zu berücksichtigen ist
- die erfolgte Aufklärung über die Selbstbestimmung des Patienten
- die Äußerung des Patienten hinsichtlich Beschwerden
- auftretende Symptome
- die Verweigerung der Behandlung des Patienten, sowie der Widerruf einer erteilten Einwilligung
- der Abbruch der Behandlung durch den Patienten
- das eigenmächtige Verlassen des Krankenhauses entgegen dem ärztlichen Rat
- die fehlende Bereitschaft des Patienten, therapeutischen Anweisungen nach zu kommen (non compliance)
- eine vorgenommene therapeutische Sicherungsaufklärung
- die Teilnahme eines Arztanfängers an einer Operation
- die Aufsicht über den Arztanfänger
- über die Routinemaßnahmen weiter reichende Sicherungsmaßnahmen zum Schutz des Patienten vor Unfällen oder Selbstschädigungen (z.B. Bettgitter)
- die erhaltenen Befunde (Röntgenbilder, MRT-Bilder, Ultraschallbilder, CTG-Streifen, Gewebeproben, Laborwerte)
- die durchgeführten Pflegemaßnahmen, jedenfalls soweit sie nicht die normale Grundpflege betreffen
- durchgeführte vorbeugende Maßnahmen (Dekubitusprophylaxe, Thromboseprophylaxe)
- in Erscheinung getretene Zwischenfälle und Komplikationen.
Ein zusätzlicher wichtiger Aspekt der Dokumentationspflicht ist die Befundsicherung. Die Befunde (z.B. Röntgenbilder, MRT-Bilder, Ultraschallbilder, CTG-Streifen, Gewebeproben, EKG) müssen sicher gestellt werden, d.h. aufbewahrt, verwaltet, vor dem Zugriff Dritter geschützt und vor Witterungseinflüssen (Feuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Hochwasser) gesichert werden. Die Aufbewahrungsfrist beläuft sich auf 10 Jahre.
Der BGH hat insoweit wiederholt entscheiden, dass es zu den Aufgaben des niedergelassenen
Arztes bzw. des Krankenhausträgers gehört, die Unterlagen, die Auskunft über den Behandlungsverlauf geben können, zu sichern.
„Es gehört zu den Organisationsaufgaben des Krankenhausträgers, Unterlagen, die Auskunft über das Behandlungsgeschehen geben, sicher zu stellen. Erweist es sich als geboten, die Behandlungsunterlagen an eine andere Stelle herauszugeben, dann obliegt es dem Krankenhausträger zu dokumentieren, wann er an welche Stelle für welchen Zweck die Unterlagen weitergeleitet hat. Werden die Unterlagen an den Krankenhausträger zurückgegeben, dann hat er auch dies zu vermerken. Erhält er sie in angemessener Zeit nicht zurück, dann hat er für ihre Rücksendung zu sorgen. Auch diese Bemühungen und ihr Erfolg müssen dokumentiert werden. In jedem Fall hat der Krankenhausträger dafür zu sorgen, dass über den Verbleib der Behandlungsunterlagen jederzeit Klarheit herrscht.“
Verschwinden Krankenunterlagen aus ungeklärten Gründen oder aus von der Behandlungsseite zu vertretenden Gründen, geht dies hinsichtlich der Beweislast zu Lasten der Behandlungsseite. Ein Verstoß gegen die Sicherungspflicht hat deshalb ganz erheblicher Beweiserleichterung zugunsten des Patienten zur Folge.