Unter „Off-Label-Use“ versteht man die Anwendung eines Medikaments ohne Beachtung der vom Hersteller angegebenen Indikation.
Im Rahmen der sog. Therapiefreiheit, hat der Arzt grundsätzlich die Wahl bezüglich der im konkreten Fall anzuwendenden Therapie. Ist er der Ansicht, dass im zugrundeliegenden Fall die Medikamententherapie die medizinisch richtige Wahl ist, so ist er auch in der Entscheidung frei, welches Arzneimittel er für welche Indikation einsetzt.
Der medizinische Standard bei einem „Off-Label-Use“ wird jedoch nur dann eingehalten, wenn aufgrund von vorliegenden Forschungsergebnissen erwartet werden kann, dass der „Off-Label-Use“ des verwendeten Medikaments zum einen für das entsprechende Therapiegebiet sowie für die vorliegende Indikation zugelassen werden kann. Zudem muss es in der medizinischen Praxis zur Behandlung der jeweiligen gesundheitlichen Beschwerden anerkannt sein. Nach einer Ansicht kann hiervon jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn entweder eine Erweiterung der Zulassung des jeweiligen Arzneimittels bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III veröffentlicht sind sowie eine klinisch relevante Wirksamkeit bzw. einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken lägen. Nach dieser Ansicht wird der medizinische Standard auch dann eingehalten, wenn außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Resultate publiziert wurden, die sowohl über Qualität als auch Wirksamkeit des Medikaments in dem neuen Anwendungsgebiet sichere, der Wissenschaft entsprechende nachprüfbare Erkenntnisse zulassen. Zudem muss in den einschlägigen Fachkreisen Einigkeit über einen voraussichtlichen Nutzen im vorgenannten Sinn bestehen (Koenig/Müller, MedR 2008, 190, 199).
Folgt man dieser Ansicht, so entspricht der „Off-Label-Use“ nur in Ausnahmefällen dem medizinischen Standard.
Jedenfalls dann, wenn sich das Medikament in der klinischen Prüfung in Phase III befindet und kurz vor seiner Zulassung steht, liegt allein in der Verabreichung eines in Deutschland noch nicht zugelassenen Medikaments noch kein Behandlungsfehler (BGH Urt. vom 27.03.2007, IV ZR 55/05, VersR 2007, 995, 996). Der Arzt ist jedoch dazu verpflichtet, sich vor dem Einsatz eines Arzneimittels im sog. „Off-Label-Use“ sowohl über die vom Hersteller bzw. vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfohlene Vorsichtsmaßnahmen zu informieren (BGH, VersR 2007, 995, 997, Nr. 20) als auch den betroffenen Patienten über den „Off-Label-Use“ und umfassend über die damit verbundenen Risiken aufzuklären.