PIP – Ein Blick in die Zukunft

Aus Presse, Rundfunk und Fernsehen ist bekannt, dass zahlreiche PIP-Geschädigte im In- und Ausland Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend machen. Schon allein aus der Vielzahl der Geschädigten (Presseberichten zufolge mehr als 500.000 weltweit), ist die rechtliche Problematik eine weit über den Einzelfall hinausgehende. Viele fordern von PIP und Jean Claude Mas, dem Inhaber der insolventen Firma PIP, Schadensersatz. Wir wagen an dieser Stelle einen Blick in die prozessuale Zukunft.

1.

Wir gehen in erster Linie gegen die behandelnden Ärzte wegen Verletzung der Aufklärungspflicht, den TÜV wegen unterlassener Kontrollen und die Allianz Frankreich als Pflichtversicherer der insolventen Firma PIP vor. Einen ersten Musterprozess haben wir vor dem Landgericht Karlsruhe anhängig gemacht. Das Verfahren ist noch nicht beendet, weil noch ein Gutachten aussteht.

2.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seinem Beschluss vom 14.11.2012 (1 BvR 3238/08) zur Grundsatzbedeutung eines Musterprozesses geäußert (dort zu sog. „Schrottimmobilien“) und die dortigen Angelegenheiten zurück an den Bundesgerichtshof verwiesen, welcher die Nichtzulassungsbeschwerden verworfen hatte. Nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts kann sich eine Klärungsbedürftigkeit bei zweifelhaften Fragen nicht nur aus einem bestehenden Meinungsstreit ergeben, sondern auch daraus, dass die Klärung der Fragen für die Allgemeinheit von Bedeutung ist.

3.

In den PIP-Fällen stellen sich gerade mit Blick auf den TÜV und bei der Allianz Frankreich rechtliche Fragen, die für die Allgemeinheit von Bedeutung sind (Reichweite nationalen Pflichtversicherungsschutzes; Prüfungskompetenzen und -pflichten des TÜV bei Medizinprodukten).

a)

So behauptet der TÜV, dass seine Kontrollen (sogenannte „Audits“) ausreichend gewesen seien. In Wahrheit war der TÜV aber nie unangekündigt vor Ort und hat die Firma überprüft, obwohl es sogar schon nach den eigenen Unterlagen des TÜV  zahlreiche Abweichungen gegeben hat. Der TÜV ist stets nur nach Voranmeldung gekommen – eine Einladung zum Missbrauch durch PIP.

Der TÜV selbst hatte insgesamt folgende Abweichungen bei seinen „Prüfungen“ festgestellt:

–          Audit vom 15.- 16.07.1997: acht Abweichungen

–          Audit vom 19.10.1998: acht Abweichungen

–          Audit vom 18.- 19.01.2000: eine Abweichung

–          Audit vom 21.- 22.11.2000: sieben Abweichungen

–          Audit vom 06.12.2001: eine Abweichung

–          Audit vom 16.- 18.07.2002: zwei Abweichungen

–          Audit vom 24.- 25.11.2003: drei Abweichungen

–          Audit vom 24.- 26.11.2004: zwei Abweichungen

–          Audit vom 27.- 29.03.2006: sechs Abweichungen

 

Im Zeitraum von 1997 bis 2006 stellte der TÜV selbst also insgesamt 38 (!) Abweichungen fest. Bei dieser hohen Anzahl wäre es geboten gewesen, sich nicht mehr nur auf Angaben des Herstellers zu verlassen, sondern diese besonders kritisch zu beleuchten und unangemeldet vor Ort Kontrollen durchzuführen.

b)

Die Allianz Frankreich stellt sich auf den Standpunkt, dass sich in den französischen Versicherungsbedingungen eine Regelung finde, aufgrund derer allein Fälle in Frankreich versichert seien. Dabei wird aber verkannt, dass eine solche  Klausel – gemessen an der Rechtsprechung des EuGH – nicht wirksam sein kann. Denn wenn die Versicherung Versicherungsschutz stets nur dann bejahen würde, dass alle in Frankreich operierten Patientinnen geschützt sind (und alle anderen nicht), so würde sie verkennen, dass weltweit das gleiche Schadensrisiko besteht und zwar vollkommen unabhängig vom Ort der Operation. Versichert ist das Medizinprodukt selbst bzw. die damit verbundenen Risiken, nicht hingegen das „Staatsgebiet des Vertragsabschlusses“.

Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund der Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes im Versicherungswesen. Das französische Recht ist europarechtskonform auszulegen. Die auf französischem Recht basierenden Verträge sind demnach im Lichte europäischer Richtlinien zu lesen. In dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.03.1975 (EWG-V) war bereits ein gemeinsamer Versicherungsmarkt vorgesehen. Insbesondere erwähnenswert ist dabei die „Erste Nichtlebensversicherungsrichtlinie“ 73/239/EWG des Rates vom 24.07.1973. Bereits diese Richtlinie soll die Bedingungen im Bereich der Direktversicherungen (ausgenommen Lebensversicherungen) koordinieren. Es soll danach in den Mitgliedstaaten der gleiche Verbraucherschutz gewährt werden, unabhängig davon, ob die Versicherung inländisch oder in einem anderen Mitgliedsstaat abgeschlossen wurde. Der Gedanke des einheitlichen Verbraucherschutzes über die jeweiligen Grenzen der Mitgliedsstaaten hinaus war seit jeher tragender Grundsatz des gemeinschaftlichen Europas.

4.

Wir sehen demnach in den PIP-Verfahren Potential für grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen im Sinne eines Musterprozesses und somit einen „erleichterten“ Zugang zum Bundesgerichtshof, sollte sich dies in späterer Zukunft mal als notwendig erweisen.

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