Wir beantworten für Sie diejenigen Fragen, welche von geschädigten Patienten regelmäßig gestellt werden.
Viele Anwälte und auch Richter sind der Auffassung, bei einer Schmerzensgeldklage sei für die Ermittlung des Kapitalbetrages eine zeitliche Begrenzung möglich, wenn die künftige Entwicklung noch ungewiss ist (s. z.B. die beiden Urteile des OLG Hamm v. 11.2.00 und 23.3.00 r+s 00, 327 ff.); soll neben dem Zahlungsbegehren für die Zukunft zur Absicherung weitergehender Schmerzensgeldansprüche ein Feststellungsbegehren verfolgt werden, halten viele eine zeitliche Zäsur sogar für erforderlich.
Diese Auffassung ist nicht unbedingt richtig. Das Schmerzensgeld ist auch in diesen Fällen für Vergangenheit und Zukunft einheitlich zu bemessen, die Geltendmachung eines zeitlich begrenzten Teilschmerzensgeldes ist allenfalls ausnahmsweise dann zulässig, wenn die künftige Entwicklung noch völlig ungewiss ist. In allen übrigen Fällen kommt allein die Geltendmachung eines zeitlich unbegrenzten (Teil-)Schmerzensgeldes in Betracht. Es ist dann auch die gesamte zukünftige Entwicklung mit einzubeziehen, soweit sie schon jetzt hinreichend sicher beurteilt werden kann; mögliche Verschlechterungen sind auszuklammern und können dann ggf. eine weitere Schmerzensgeldforderung rechtfertigen, die durch Feststellungsurteil gegen Verjährung gesichert werden kann. Die Schnittlinie ist also nicht zeitbezogen an einem bestimmten Stichtag zu ziehen, sondern schadenbezogen vom Schluss der mündlichen Verhandlung ab in die Zukunft hinein; sie verläuft von da ab zwischen den schon jetzt hinreichend sicheren und den zwar auch möglichen, aber noch nicht hinreichend sicheren Folgen. Diese Schnittlinie kann je nach Beweisergebnis konstant oder auch steigend oder fallend verlaufen.
Z.T. wird die Auffassung vertreten, das Risiko zukünftiger Verschlechterungen könne – auch in einem Urteil, nicht nur vergleichsweise – auch durch einen Risikozuschlag auf das Schmerzensgeld mit abgegolten werden (OLG Köln VersR 92, 975; von Gerlach, Die prozessuale Behandlung von Schmerzensgeldansprüchen, Referat Homburger Tage 1999, veröffentlicht u.a. in VersR 00, 525 ff., 530). Hiergegen habe ich Bedenken. Es wird dem Geschädigten dann etwas auf Verdacht zugesprochen. Zudem besteht nicht selten auch eine gewisse Aussicht auf Verbesserung; in diesem Falle müsste konsequenterweise auf Verdacht ein Risikoabschlag erfolgen. Zwar ist ein Risikozu- oder Abschlag gerechtfertigt, wenn es im Rahmen der Schadenschätzung nach § 287 ZPO um zukünftige gesundheitliche oder berufliche Entwicklung ohne Unfall geht. Denn sie ist immer nur begrenzt aufklärbar. Bei der tatsächlichen gesundheitlichen Entwicklung ist es aber anders. Weil die künftigen Unfallfolgen einerseits schon jetzt mit abzugelten sind, andererseits aber die Möglichkeit einer Abänderung nach § 323 ZPO nur bei Zubilligung einer Schmerzensgeldrente besteht, ist es m.E. geboten, die künftigen Folgen mit abzugelten, soweit sie schon jetzt hinreichend sicher beurteilbar sind, und im übrigen dem Geschädigten die Möglichkeit zu erhalten, einen „Nachschlag“ zu fordern, wenn die künftige Entwicklung für ihn ungünstiger verläuft.
Ist z.B. nach einer Sprunggelenkverletzung als Dauerschaden eine gewisse Gangbehinderung eingetreten, besteht (wie bei vielen Knochenverletzungen) die Gefahr, dass sich aus ihr langfristig eine Arthrose entwickelt, die die Beschwerden und die Gangbehinderung erhöht. Wird in diesem Fall ein zeitlich unbegrenztes (Teil-)Schmerzensgeld verlangt, sind in die Schmerzensgeldbemessung alle zukünftigen Folgen einzubeziehen, die bereits jetzt erkennbar sind und deren Eintritt bereits jetzt naheliegt (BGH r+s 95, 137; OLG Hamm r+s 98, 418). Hat z.B. der eingeschaltete Gutachter auf die Arthrosegefahr hingewiesen, ohne bereits Anzeichen festzustellen, ist es Sache des Richters, zu entscheiden, ob die Entwicklung einer Arthrose schon jetzt so naheliegt, dass er sie bereits mit in die Schmerzensgeldbemessung einbeziehen kann. Verneint er dieses, muss er sie – damit später der Umfang der Rechtskraft zuverlässig beurteilt werden kann – hier ausdrücklich „ausklammern“ (so BGH NJW 80, 2754, 2755) und in die Feststellungsentscheidung einstellen. Diese Verlagerung ist auch dann, wenn der Geschädigte die sofortige Einbeziehung will, schon deshalb unbedenklich, weil in jedem Zahlungsbegehren als Minus ein Feststellungsbegehren enthalten ist (BGH NJW 84, 2295 = r+s 84, 89).
Für die Verhinderung der Verjährung durch Feststellungsklage ist in erster Linie der Anwalt verantwortlich. Allerdings werden an deren Zulässigkeit und Begründetheit oft viel zu hohe Anforderungen gestellt. Wenn wie hier der Personenschaden bereits eingetreten ist und es nur noch um die Sicherung möglicher Spätschäden gegen Verjährung geht, sind die Anforderungen minimal (BGH NJW 98, 156 = VersR 97, 1508; s. auch von Gerlach, VersR 00, 525 ff., 529, 531). Wenn der Unfallverletzte zum Schutz gegen die Verjährung möglicher Spätfolgen die Feststellungsklage erhebt, tut er genau das, was der BGH von ihm verlangt und erwartet (BGH NJW 91, 973 = VersR 91, 115).
Für die Verhinderung späterer Rechtskraftprobleme ist in erster Linie der Richter verantwortlich. Er muss aufzeigen, welche zukünftige Entwicklung er für hinreichend wahrscheinlich hält und deshalb in seine Entscheidung zum Zahlungsbegehren einbezieht und welche Risiken er, obwohl schon sichtbar, hier noch ausklammert, weil ihre Verwirklichung noch nicht hinreichend sicher ist; nur dann kann später zuverlässig beurteilt werden, wie weit die Rechtskraft des 1. Urteils reicht und ob Raum ist für eine neue Schmerzensgeldklage.
Ist dem Verletzten in dem Vorprozess ohne jede Ausklammerung ein zeitlich unbegrenztes Schmerzensgeld zuerkannt worden, sind alle Unfallverletzungen einschließlich aller Spätfolgen abgegolten, mit denen aus der Sicht medizinischer Fachkreise bereits damals ernstlich zu rechnen war, auch dann, wenn das Gericht sie teilweise nicht berücksichtigt hat und vielleicht mangels Kenntnis auch gar nicht berücksichtigen konnte (BGH r+s 95, 137, 138; OLG Hamm r+s 97, 246), selbst dann, wenn sie auch der medizinische Sachverständige, obwohl für ihn sichtbar, übersehen hat (OLG Hamm OLGR 96, 91). Auch ein Feststellungsurteil in dem Vorprozess reicht dann ohne entsprechende Ausklammerung zur Geltendmachung weiterer Schmerzensgeldansprüche nicht aus; es schützt als solches nur vor Verjährung, nicht vor der Rechtskraftwirkung (BGH NJW 80, 2754, 2755 = VersR 80, 975). Es ist deshalb wichtig, dass der Richter im Rahmen der Beweisaufnahme nicht nur den gegenwärtigen Gesundheitszustand, sondern auch die voraussichtliche zukünftige Entwicklung abklärt.
Wird ein zeitlich begrenztes Teilschmerzensgeld geltend gemacht, wirken wir wegen der Zulässigkeitsbedenken immer auf eine entsprechende Antragsumstellung hin (s. auch OLG Schleswig OLGR 96, 11 = ZfS 96, 93); i.d.R. erfolgt sie bereits ohne Hinweis durch den zweitinstanzlichen Anwalt. Ohne eine entsprechende Antragsumstellung darf das Gericht m.E. dem Geschädigten im Hinblick auf § 308 Abs. 1 ZPO nicht ein zeitlich unbegrenztes Teilschmerzensgeld zu billigen (so OLG Hamm OLGR 92, 391; s. auch OLG Schleswig, aaO). Zwar wird vertreten, eine derartige Begrenzung sei unbeachtlich (OLG Karlsruhe OLGR 98, 213); dem Geschädigten wird dann aber ein Schadenausgleich für immaterielle Schäden zugesprochen, deren Ausgleichung er gar nicht begehrt.
Ist dem Geschädigten bereits – außergerichtlich oder gerichtlich – ein zeitlich begrenztes Teilschmerzensgeld zugebilligt worden und wird dann später ein weiteres Schmerzensgeld gefordert, ist häufig unklar, welche immateriellen Schäden bereits – vereinbarungsgemäß oder mit Rechtskraftwirkung – abgegolten sind und welche noch abzugelten sind (s. z.B. OLG Frankfurt/M. VersR 95, 1061; OLG Hamm OLGR 97, 271; OLGR 92, 391). Einerseits wird ausdrücklich erklärt, dass das Schmerzensgeld nur für einen bestimmten Zeitabschnitt gefordert wird und gewährt werden solle, andererseits finden sich Formulierungen, die eher dafür sprechen, dass bereits eingetretene Dauerschäden doch schon jetzt insgesamt abgegolten werden sollen. Wenn (ohne Rücksicht auf Zulässigkeit) ein zeitlich begrenztes Teilschmerzensgeld zugebilligt werden soll, dürfen auch nur alle in diesem Zeitabschnitt erlittenen Unfallfolgen berücksichtigt werden, nicht anders als bei einem zeitlich befristeten Rentenbegehren; das gilt auch hinsichtlich aller bereits eingetretenen Dauerschäden.
Ist später der Inhalt eines derartigen Vergleichs oder der Umfang der Rechtskraft einer derartigen Entscheidung zu beurteilen, ist im Rahmen der Auslegung im Zweifel davon auszugehen, dass dieses so gewollt gewesen ist (OLG Frankfurt/M. aaO; OLG Hamm aaO). Wenn etwas anderes gewollt ist, muss das eindeutig zum Ausdruck gebracht werden. Diese Unklarheit besteht oft auch bei Abfindungsvergleichen unter Vorbehalt (s. hierzu z.B. einerseits OLG Hamm r+s 95, 17, andererseits OLG Hamm r+s 98, 418).
Andererseits ist zu beachten, dass dann, wenn der Geschädigte zunächst nur ein zeitlich begrenztes Teilschmerzensgeld geltend gemacht hat, der restliche Schmerzensgeldanspruch inzwischen verjährt sein kann.
Ist dem Verletzten in 1. Instanz ein zeitlich begrenztes Teilschmerzensgeld zugebilligt worden und geht es in 2. Instanz nur noch darum, ob dieses richtig bemessen worden ist, können ebenfalls nur die immateriellen Schäden dieses Zeitabschnitts berücksichtigt werden (OLG Hamm OLGR 91 H. 8 S. 5; dass es allein hierum bzw. um die Auslegung derartiger Vor-Urteile ging, hat das OLG Düsseldorf in VersR 96, 984 übersehen).